26. Oktober 2009

das staatliche Symphonieorchester eines Landes, dessen verbeamtete Musikerinnen die Bühne mit ihren Handtaschen betreten und diese über der Stuhllehne aufhängen, bevor sie zu ihren Instrumenten greifen. Es gehört nicht zur europäischen Union.

25. Oktober 2009

weißte, wenn du einen anspruchsvollen Job hast, dann willste im Urlaub auch nicht drei Wochen lang nur durch die dritte Welt rocken. Deswegen war Ulan Bator eigentlich ganz cool. Nur, was ich trotz meiner Recherchen vorher überhaupt nicht abgeschnallt hab war, daß das Land gar kein durchgehendes Verkehrsnetz hat. Und wir sind da erst mal angekommen und ich dachte ich bin in der dritten Welt, die Taxifahrer haben sich um unsere Rucksäcke gerissen. Und dann kommste erst mal im State Department Store an und da kriegste alles. Latte Machiato bis zum Abwinken. Und sogar Nutella und ganz viele deutsche Produkte.

14. Oktober 2009

aus einem Lokal namens Würgeengel treten gegen zwölf Uhr nachts zwei Damen und rufen: Endlich Luft.

7. Oktober 2009

offene Türe des China-Imbiss, vor der rechts und links je eine Holzbank steht. Es läuft ein Fernseher mit Sportberichten. Der Mann beobachtet mich, wie ich den Bildschirm beobachte. Lustlos beide. Es gibt halt nichts anderes zu sehen. Was der Mann wohl denkt.

Schon wieder Schweinsteiger.

Gefahr wie Triumph werden vom ewiggleichen Grundrhythmus getragen, den die Fußballbegeisterten unter uns schon in der siebten Klasse zu imitieren wußten. Es erfolgt eine Betonung auf Silben, die herkömmlicher Metrik zufolge unbetont wären: óf-fensiv / so-fór-tiger Rückzug / gár nicht etc. Bei ausnahmslos jeder dieser Synkopen mengt der Sportreporter seiner Stimme so etwas wie ein Krächzen bei, das wohl eine Reminiszenz an geschriene Worte darstellen soll.

Es ist dies Krächzen, das meiner Mutter eine Gänsehaut verlieh, wenn sie Joe Cocker anhörte. Sie bezeichnete es als bluesig. In der Fachpresse war von Reibeisenstimme oder Röhre die Rede.

Mir ruft es, vermittelt durch die reelle Kühle des China-Imbiss mit offenstehender Türe, die kalte Wohnung in Erinnerung. Es sei, so wurde es mir vermittelt, in der Röhrenstimme etwas Dreckiges zu finden, das auf eine besondere Intensität von Gefühlen verweise. Zweifelsohne war es für meine Mutter und einen Gutteil der in Scheidungsprozessen befindlichen, deutschsprachigen Joe-Cocker-Rezeption zutreffend. Nur ist dies Dreckige nicht ein Stilmittel des Bluesgesanges, sondern der Sportpalastreden. Dosiertes, einstudiertes Geschrei, Gestampfe auf Silben, die es am Wenigsten ertragen, Dramatik und Martialisches. Solcherlei Stimmen sprachen in der Welt, in der ich aufwuchs, Gefühle an.

Wenn Emotionen angelernt und nicht naturgegeben sind, wenn sie sich durch Sprache nicht bloß im semantischen, sondern im breiteren semiologischen Sinne konstituieren, so gehören ebenso wie die Worte der Mutter die Gesten, die Musik, die Tonträger selbst, ihr Coverdesign zu den Medien, vermittels derer sie über Emotionen zu mir sprach.

Schon wieder Schw-éin-steiger.

5. Oktober 2009

porno-teo-kolossal

im Auditorium nur feingekleidete Leute, das Institut selbst ist eingerichtet wie die Wohnzimmeretage eines teureren Möbelhauses, man hat Jugendstil und Postmoderne zu vereinen versucht, in dieser ehemaligen Fabriketage im Prenzlauer Berg wird man eher an die Interieurs aus Benjamins Berliner Kindheit erinnert als an Pasolini.
Ich habe nie einen besonderen Zugang zu Pasolinis Texten gefunden, wohl aber zu seinen Filmen. Ein Dokumentarfilm über ihn, der aus found footage und billigen Animationen besteht, vom ununterbrochenen Redefluß eines Sprechers aus dem off getragen wird, ohne deutsche Untertitel, gewährt mir wenig Vergnügen. Dennoch sitzen die meisten der Zuhörer, die eben noch um Kopfhörer anstanden, weil sie des Italienischen ebensowenig mächtig sind, geduldig auf ihren Plätzen. Dabei dolmetscht doch niemand für sie. Man gibt viel Geld für Repräsentation aus, hat aber kein Budget für die Untertitelung des gezeigten Filmes.
Zur verdolmetschten Einführung hatte der Redner die Liebe zum Subproletariat und den Haß auf das Bürgertum als Leitmotive von Pasolinis Schaffen referiert. Symptomatisch für unsere Zeit, sich einen Samstagabend zu gönnen, an dem man schön in Schale einen Film verfolgt, den man nicht versteht, wenn er die Stimme eines toten Mannes wiedergibt, der nichts mehr gehaßt hätte als einen selbst. Dabei steht gar nicht mehr die Arroganz im Vordergrund, einen ehemaligen Rebellen zu vereinnahmen, sondern die implizite Selbstverachtung, die darin liegt, dies für Kultur zu halten.

Nachdem auch S. die folgende Diksussion nicht ertrug, gingen wir im mir fast gänzlich fremden Mitte eine Band anschauen, die Jazz mit Reggae mischt und erfreulicherweise ohne Gentleman-Attitüde auskommt. Danach ausgelassen rumgehüpft zu Musik, die weder Pasolini noch sein heutiges Publikum ertragen hätten.

2. Oktober 2009

in einem Café arbeitet ein ganz junger Franzose. Seine MP3-Playlist enthält Leonard Cohens "Suzanne", was mich unweigerlich an die Türkei der 90er Jahre erinnert, als junge Leute über gebrannte CD-Raubkopien gerade erst derlei Lieder entdeckten und über die technische Verfügbarkeit vermittelt eine ganze Reihe von Klassikern als Mode reüssierte (bis dahin waren Verkaufsregale in Istanbuler Musikläden nicht etwa in Rock/Pop, Jazz, Klassik etc. unterteilt gewesen, sondern in "Einheimisch" und "Ausländisch". Die Ausländischen waren immer um Einiges teurer). Dann folgte Billy Holiday mit "Strange Fruit". Ich hatte bereits zuvor Stücke von Billy Holiday, darunter auch dieses, in Kneipen und Cafés von jungen Bediensteten aufgelegt gehört, seit aus dem einstigen Spaßwort "retro" ein begieriges Buddeln nach Perlen der Popmusikgeschichte geworden ist, und Männer anfang zwanzig Marvin Gaye und Isaac Hayes von 180-Gramm-Vinylpressungen hören, und Frauen im zweiten Jahr ihres geisteswissenschaftlichen BA-Studiums bereits wissen, wer Thelonious Monk war.
Wie unbedarft aber erschien die vermutlich vom Zufallsgenerator arrangierte Kopplung von Suzanne mit Strange Fruit, für einen Augenblick war die Musik im Café nicht mehr Beschallung von Kunden, sondern ein Ersuchen um Ernsthaftigkeit, ganz so als wolle da jemand Zuhörer gewinnen für Botschaften, die ihn sehr berühren.

Wer hat eigentlich Marxens Diktum von der Wiederholung der Geschichte als Komödie auf die digitale Wiederverwertung von Popmusik umgemünzt?

25. September 2009

Das weiße Band ist echt gut, und man sollte den Kritikern nicht automatisch glauben, die den Film entweder zu eindeutig oder zu uneindeutig finden. Ratlos hinterläßt er mich, weil er beides ist und mal wieder keine Auflösung findet. Ein politischer Film, aber keine Parabel. Schwarzweiß, aber nicht von Schlagschatten dominiert. In der Epoche des Expressionismus spielend, enträt er dessen Bildsprache. Na ja, bis auf das Gesicht dieser Göre, und wenn Filmkritiker schon zu früh wissen, daß die im Erwachsenenalter (nach Filmende) ein Nazi sein wird, dann entspricht das einfach den Tatsachen.

Letztens hat mich ein Journalist gefragt, ob es mich als Deutschen denn nicht nerve, daß bei Inglorious Basterds alle Deutschen als Nazis dargestellt werden. Ich freu mich, wenn jetzt mit Haneke ein zweiter Film anläuft, in dem das der Fall ist.

Schade nur, daß man nach dem Film kaum noch einen zweiten sehen möchte, obwohl man gerade auf einem Festival ist.

10. September 2009

als ich 20 war und Marxist sein wollte, konnte ich nie verstehen, welchen geschichtsphilosophischen Gehalt genau man aus Walter Benjamins Verweis darauf, daß jede Sekunde die kleine Pforte sei, durch die der Messias eintreten könne, zu extrahieren habe (Begriff d. Gesch., Anhang B).

Heute mein Fahrrad warten lassen. Es trat eine Dame auf den Hinterhof, die blond und von gesunder Statur war. Sie hielt zwei Stofftaschen in den Händen. Auf der einen stand ein Link zu einer der Internetpräsenzen der LandFrauen sowie ein gesunder Claim. Sie war sehr darauf bedacht, möglichst schnell die Aufmerksamkeit eines der Fahrradmechaniker auf sich zu ziehen und musterte die wartenden Kunden offensichtlich in Hinblick darauf, bei wem sie sich dazwischendrängeln könne. Endlich tat sie den entscheidenden Sprung, als mir gerade jemand die Gangschaltung nachziehen wollte. Sie wollte nur ihr repariertes Rad abholen. Gut, zu solch einem Behufe sich dazwischenzuschieben hat nichts Verächtliches. Entsprechend knapp bedeutete der Mechaniker ihr, sie möge ihren Reparaturschein vorzeigen. Da erst wurde sie gewahr, daß sie für den Vorgang einen solchen Zettel brauchen würde, sie lächelte nd ging ein paar Meter fort, setzte sich auf eine hölzerne Bank und räumte den Inhalt ihrer Stofftaschen aus. Eine Klarsichthülle enthielt Papierabzüge von Schwarzweißfotos, die sie hervornahm und einzeln betrachtete, bevor sie sie wieder zurücklegte. Auch andere Dokumente durchforstete sie.

Ich mag Menschen, die beim Aufräumen in die Gewohnheit verfallen, monatelang ignorierte Schriftstücke auf ihren Inhalt zu prüfen oder in nie gelesene Bücher reinzuschauen, aus der Ratio heraus, daß doch die gewonnene Information für den Arbeitsprozeß des Aufräumens relevant sein müsse, da sie zum Klassifizieren des aufzuräumenden Gegenstands und zur Strukturierung der bewohnten Räume diene, sich dann aber verlieren, verlieren in die verschwenderische Hingabe an einen Text, den sie in ihrer designierten Freizeit nie lesen oder ihrer eigentlichen Arbeitszeit nie bearbeiten würden. Eine Rezeptionsgeschichte allein solcherart gelesener Texte dürfte, einmal verfaßt, digital niemals zugänglich gemacht werden, damit niemand in ihr läse, um sich am Bildschirm von dringenderen Aufgaben abzulenken. Allein in Präsenzbibliotheken dürfte sie erhältlich sein, so daß man einen Fahrweg auf sich nehmen müßte, um dem Werk zu begegnen.

Als mein Fahrrad vom Bock abgespannt wurde, war die Dame wieder in die Nähe der Mechaniker getreten und durchforstete ihre gewaltige Börse nach dem Zettel.

3. September 2009

es gibt eine Zeit auf der Welt, abends, wenn unheimlich viele Mädchen auf Facebook Musikvideos posten.

Wenn man sie alle gleichzeitig in verschiedenen Tabs von einem Laptop abspielt und dabei draußen sitzt, fühlt man sich fast wie in einer Mahlersymphonie.

die welt ist

2.0. Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten.
2.1. Es regnet.
2.1.1 Ich bin müde.
2.1.2. Es gibt zuhause weder Kaffee noch Internet.
2.2. Ich bin durchnäßt, als ich dort ankomme, wo es beides gibt.
2.2.1. Die Bedienung, die zu jenem Schlag Menschen gehört, für die arbeitstypische Handgriffe nur ein casual accessory sind, welches sparsam eingesetzt der pfiffigen Präsentation von Outfit und Style dienen kann, trägt ein Halskettchen mit Feminismussymbol.
2.3. Ich bin überfordert.
2.3.1. Neben mir sprechen zwei Menschen vor einem Laptop über die Dramaturgie eines Filmtreatments.
2.3.2. Im Hintergrund erzählt jemand, wie in diesem lustigen Film ein Jude ein Ei legt, das sofort zertrampelt wird.
2.4. Ich kann keinen Syllogismus formulieren.

2. September 2009

all the night through, through the noise and to do

einige wache Zeit noch verfolgte mich das Bild einer Frau, die über eine Stunde hinweg vor zwei Lokalen an der Körtestraße gestanden und Gäste angeschrien und bedroht hatte. Es war sehr schwer zu extrapolieren, worum es ihr ging: Immer wieder tauchten Bruchstücke auf wie Kinderwagen oder Schüler, die um acht Uhr morgens über die Straße gingen, und die angeschrienen Männer waren entweder Täter eines konkret von ihr erinnerten Ereignisses oder selbstgefällige Gaffer. Ebenso schwer war es, sich ihrer Faszination zu entziehen. Sie beherrschte schnell das Gespräch zumindest an unserem Tisch. Ein Mann mit weißem Haar stand tief getroffen auf und versuchte mit fassungsloser Redlichkeit zu verstehen, um welchen Kinderwagen es sich denn handele, da sei doch gar keiner. Ein anderer grummelte wiederholt, sie möge jetzt gehen und es sei ihm scheißegal, was sie zu sagen hatte. Einmal baute sie sich vor diesem auf und sagte, mehr zu sich selbst, selbstgefällig und kalt wie ein gelungener Absatz bei Lautréamont: Oh nein, das glaub ich nicht, daß dir das scheißegal ist. Du machst dir doch vor Angst in die Hosen.
Ihre Rachephantasien beinhalteten nicht nur das persönliche Auflauern und Ermorden der von ihr als Täter markierten Gäste. Vielmehr wünschte sie sich auch eine Bewegung herbei, gegen die die NPD nichts sei, um sie alle an den nächsten Laternenpfählen aufzuknüpfen. Manchmal blieb sie auch nur im Halbdunkel stehen und fixierte jemanden, den Rücken bei aller Körperspannung leicht zum Hohlkreuz gedehnt, von schlankem, aber muskulösem Bau, und dem - wie ich meine, obligatorisch - nach vorn gestrecktem Kinn, zwischen welchem und den Schultermuskeln der Hals einen Fünfundvierziggradwinkel bildete.

Erst heute ergibt sich mir eine nicht zwangsläufige Assoziation zu einem Theaterstück, in dem wir der einzigen Protagonistin folgen, wie sie grausam Rache an den ebenfalls noch jugendlichen Mördern ihres Sohnes nimmt, es schwingt ein wenig Haneke mit, und wir sind häufig ganz bei ihr und ihrer Nemesis. Bis sich herausstellt, daß nicht nur die Rachemorde an den Tätern von ihr herbeiphantasiert sind. Sondern auch der Mord an ihrem Sohn. Und die Existenz eines solchen Sohnes selbst. So wünscht man sich, daß die Frau von der Körtestraße bloß nicht wirklich eine Mutter ist, die nichts mehr zu verlieren hat - mit diesen Worten charakterisierte sie sich mehrfach selbst - und nicht nur der Opferstatus des Sohnes herbeiphantasiert war, sondern auch die Existenz eines solchen.

Denn es gibt unter Bloggern solche (Krawatte-zurechtrück), die erfahren mußten, daß aggressive Vergewaltigungsphantasien seitens der Mutter, die noch dazu Gewaltanwendung gegen die imaginierten Schänder des hilflosen Sohnes beinhalten, als Projektion zur Umdefinition der Tatsache dienen können, daß man dem eigenen Wunsch nach sexueller Betätigung am Sohne durchaus auch mal stattgegeben hat. Dem entspricht am anderen Ende der kulturphänomenologischen Skala innerfamiliärer Gewalt das Verhalten eines Onkels, der nach einem gescheiterten Vergewaltigungsversuch an seiner erwachsenen Nichte der gesamten Großfamilie wiederholt erzählt, das Mädchen sei auf der schiefen Bahn, und ihr unehelicher Partner stelle eine Gefahr dar, vor der das Mädchen unbedingt gerettet werden müsse, um nicht vollends abzurutschen. Der zweite Fall ereignete sich in einer jener parallelgesellschaftlichen, muslimischen Familien, über die sämtliche Deutschen und Antideutschen so sehr die Nase rümpfen, der erstere in meiner.

Aus beiden ist die Gefahr des Faschismus unschwer zu extrahieren. Um das Geschehene zu verdecken, entwirft und performt die Täterin oder der Täter Fremdbedrohungsszenarien, in denen sie zum Opferschutz gegen einen übermächtigen Feind ankämpfen (der im zweiten Falle z.B. die Verwestlichung der Gesellschaft oder die Emanzipation der Frau sein mag). Jeder Versuch, der tatsächlichen Begebenheit auf den Grund zu gehen, wird mit einem Zeter und Mordio beantwortet, dessen männlich-nationalpolitischer Name der Revanchismus wäre (auch seitens des Islams an den Fremdmächten, welche die einstige Glorie zerstörten).

Was tun Sie, wenn Sie aus der Klinik entlassen werden und am Telefon den Revanchismus haben, der sich erkundigt, wie es Ihnen geht?

Interessanter aber ward es, den Täterstatus der Frau von der Körtestraße einmal von persönlichen und politischen Festlegungen zu lösen. Anstelle des Kampfes einer wirklichen Frau gegen imaginäre Täter den einer imaginären Frau gegen wirkliche Täter zu setzen: Nina Simone zeichnet in ihrer Interpretation der Brechtschen Seeräuber-Jenny eine solch krude Gewaltphantasie, wie sie auf den Straßen Kreuzbergs gar keinen Platz finden würde. Welch differenzierte Beobachtung von Frauen mit gnuhaft vorgebeugten Hälsen steht hinter ihrer Einspielung, welche trunkenen Erlebnisse vor Berliner Straßenlokalen mögen in die Abfassung des Textes eingeflossen sein (man stelle sich den Autor als den Mann vor, der zigarrerauchend grummelt, sie möge verschwinden, und dann doch aufschreckt, als sie ihm ruhig und bitterböse entgegnet, sie glaube gar nicht, es sei ihm scheißegal), bis das Bild von einer Reinigungskraft entstehen konnte, deren phantasmagorisches Ich-Ideal darin besteht, eine zerstörerische Korsarenflotte zu befehligen? Daß ein Wachtraum emanzipatorischer Ausbruchswünsche darin liegt, wie er auch die Schlußsequenz von Antonionis Zabriski Point prägt, ist der Größe der epischen Methode Brechts verschuldet. Daß er sich auf die uneingelösten Hoffnungen afroamerikanischer Frauen bezieht, die in der Bürgerrechtsbewegung mitschwangen, einem Kunstgriff Nina Simones zu verdanken: aus den Lumpen im lumpigen Hotel wird ein "crummy Southern town", ein Adjektiv, das im Kontext von Simones Werk ausreicht, um Diskriminierung, Bigotterie und patriarchale Rückständigkeit bis hin zur Legitimierung von Sklaverei und Lynchmorden zu evozieren. So funktionieren gute Metonymien. Kontextualisierung als transkulturelle Translationsleistung

Ein Idealfall für Übersetzungstheoretiker.

Die Frau gestern Abend war eigentlich nur eine Seeräuber-Jenny. Und ein Real-Life-Avatar von Cindy Sherman. Und eine Performance, die sich mit Pädophiliediskursen auseinandersetzt. Dies denkend, kann ich heut Nacht bestimmt wieder schlafen.

29. August 2009

konnte ich N., wenige Tage vor ihrer Abreise, dahingehend beruhigen, daß die meisten Männer mit buschigen Bärten und ausrasierter Oberlippe, die sie über Monate beobachtet hatte, schwul seien und keine deutschen Konvertiten.