28. Februar 2009

hay que caminar

I.

trüge sich noch etwas zu an diesem abend außer dem erschlaffen des geistes. viel zu viele rot- und orangetöne in meinem zimmer, tenorsaxofontöne, jemand versucht, eine grenze zu durchbrechen, von der ich weiß, daß hinter ihr nichts liegt.


II.

außer dem bedürfnis, zu einer wahrnehmung zu gelangen, der die welt verstehenswert erscheint, zu einer liebe zu ihr, einschließlich der sie ausmachenden menschen, aus welcher heraus zorn und trauer noch sinn machten; einer gewissen stabilität, aus welcher heraus die ermüdung ob eines schlecht formulierten textes nicht so unweigerlich mit der angst vor weit entfernten kriegen in hilfloser indifferenz veschwimmt, mit der einsamkeit, den hinausgeschobenen und verdrängten aufgaben, den nicht bewältigten auseinandersetzungen, verschwimmt zu einem bedürfnis, nicht mehr zu einer anderen wahrnehmung gelangen zu wollen, sich abzufinden, die dinge so zu nehmen, wie sie sind, das konnte ich noch nie, hatte mir aus der Minima Moralia das attribut in seinem Sosein verhärtet herausgesucht damals, wen ich damit bedachte, den ließ ich vor meinem inneren auge verrecken, es war eine zuschreibung, ungefähr so vernichtend wie Faschosau, und ich wußte doch, daß mich aufgrund des bloßen Vollzugs der Lebensfunktionen unter gegebenen Umständen eben dies schicksal eines tages ereilen würde, in meinem sosein zu verhärten, es fühlt sich ein wenig seltsam an, weil man dadurch auch konturen gewinnt nach außen, andere mögen beneiden, was man auf die beine stellt oder eine gewisse ausgewogenheit der meinungen respektieren, man hat immer schon alles reflektiert, es gibt bausteine, der mörtel zwischen ihnen trocknet an, was wiederum an einigen stellen, wo nicht so gut gefugt ist, zu fissuren führen kann, man verhärtet, man bricht aber auch auf, man ist so, verhärtet und aufgebrochen, doch mit der feuchtigkeit weicht auch ein gefühl der klammheit, und ist man wohlsituiert, und reichen die geistigen fähigkeiten noch dazu aus, sich eine teilhabe an den annehmlichkeiten dort draußen zu erwirtschaften, stürzt da auch nichts ein so mir nichts dir nichts, nicht wahr, im unglück lebt es sich besser als in der ungewißheit, man teilt es mit seinen zeitgenossen wie im neunzehnten jahrhundert das unwohle eingeschnürtsein in korrekter kleidung, das hatte ich mir immer am schlimmsten vorgestellt, nicht etwa, dass es keinen strom gab oder unheilbare krankheiten, sondern man sich immerzu so gewanden mußte, daß es irgendwo kratzt und schabt und auf der haut zu spüren gewesen sein mußte, daß man notwendige konventionen erfüllt; ich weiß gar nicht, ob diese kindliche wahrnehmung überhaupt dem forschungsstand der kleidungsgeschichtsschreibung entspricht, aber so habe ich es mir immer vorgestellt beim lesen der literatur und betrachten der aufnahmen ihrer produzenten - wie hätte benjamin sich wohl gefühlt in einer trainingshose auf einem ergonomischen arbeitsstuhl vor einem rauchglasschreibtisch, auf dem ein zwanzigzollmonitor einen anglotzt, und nur der, wer würde sonst noch schauen, ich bin zu dem eindruck gelangt, daß nur immer ich es bin, der schaut, daß ich gar nicht angeguckt werde, sondern die leute nur zurückschauen, vermutlich weil sie empfinden, daß meine offensiven blicke illokutionäre bindungskräfte ausstrahlen, ja, bindungskräfte, der mörtel zwischen den bausteinen, ich hab schon über das reflektiert, was ihr gleich sagen werdet, schon abgeschlagen, wohin ihr gehen wollt, damals war ich auf dieser dunklen wegstrecke, und der hinter mir sagte nur, ich solle auf den rücken und die schuhe desjenigen vor mir achten, versuchen, meine füße dorthin zu setzen, wo er seine hingesetzt hatte, ohne zur seite oder gar auf den weg zu schauen, ich stelle mir jenen gang immer als einen schweigenden vor, aber es wird ja wohl jemand etwas gesagt haben, später sah ich bei tageslicht, daß es ein schmaler pfad am abhang gewesen war, unmittelbar neben meinen füßen wäre der abgrund gewesen, ich hätte es nur ahnen müssen, um mein gleichgewicht zu verlieren, so aber hörte ich auf die anweisung, ohne zu zweifeln, ohne einen ort zu suchen, an dem meine füße halt gefunden hätten, außer jenem, an dem derjenige vor mir gelaufen war, ja, bindungskräfte, auch dieser kitt ist mir weggebrochen wie eine schlechte zahnfüllung, ich geh nicht mehr zum zahnarzt, die spritzen lähmen mein gesicht, ich habe mehr angst, meine mimik zu verlieren, als den rest des zahnes, und doch übe ich mich in mimikry, rührt mich nicht an, ich bin einer der euren, erfülle die bedingungen, verdiene mein geld, wer wird mich angreifen, wenn ich sie anschaue, immerzu zuerst anschaue, nicht weggucken, sonst sprechen sie dich an, was machst du hier, ich hab dich lange nicht gesehn.

III.

außer dem Bedürfnis, einmal aufgehoben zu sein in der Stille, im Lärm, in der Struktur. Die Klarheit der rationalen Arbeit an Räumen, die es zu bewohnen gälte, gemeinsam vielleicht, erst einmal aber ein jeder für sich, Nono ist ein Architekt der Revolution, er muß gewußt haben, wieviel Mühe, mehr noch: welche Überlegungen zur Statik des Plans es kostet, eine einzelne Zelle aufzubauen, aus der heraus vielleicht einmal Räume entstehen könnten, in denen wir zu atmen vermögen, ob ich in ihnen wohl anders lebte als in meinem Zimmer.

Caminante, no hay caminos, hay que caminar, soll er als Graffito an der Mauer eines Klosters in Toledo gelesen haben, Wanderer, es gibt keinen Weg, nichts als das Gehen





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