23. Mai 2009

er holte auf, während ich, von der Apotheke herkommend, die Treppen herunterschritt, und rief plötzlich, auf einer Höhe mit mir, gleichsam in mein Ohr: "Etwas freundlicher, wenn's geht. Das sind mir die Richtigen". Ich blickte mich nach ihm um. Er trug kurzgeschorenes Haar und die farblose Montur der privaten Sicherheitsdienste. Den Rest können Sie sich vorstellen: Ich mußte ihn fragen, ob er etwa mich meine, woraufhin er jovialst verneinte und sein seelisches Leid zu klagen begann. Einer habe ihn ganz unhöflich nach dem Weg gefragt. Ich kam mal wieder nicht so schnell weg, man will ja auch nicht plötzlich eine Elektroimpulswaffe im Genick haben. Außerdem höre ich meinen Mitmenschen gerne zu. Nur habe ich nicht gerade Lust darüber zu schreiben, was er mir erzählte.

Auch nicht über den gutaussehenden Herrn Ende sechzig, in cremefarbigem Sommermantel, passendem Anzug und pastellzartem Hemd, der einen jungen, ebenfalls hübschen Mann sanft an Schulter und Taille berührte, bevor er an ihm vorbeiglitt, dann aber zu einem von drei miteinander S-Bahn reisenden Rentnern wurde, wie sie immer ausgerechnet im Fahrradkompartement nebeneinander Platz nehmen, und anläßlich der Haltestelle Oranienburger Straße zu erzählen wußte, daß dort Deutschlands größter Judentempel stehe, wie man die nochmal nenne.

Über solche Dinge will ich nicht schreiben. Wie blöd ist es überhaupt, andauernd allein irgendwo zu sitzen und in ein Notizbuch zu schreiben, was man dann zuhaus in den Computer abtippen wird. Vor allem, wenn man dabei nicht trinkt.

Nun ja, grünen Tee mit dem Aroma von gerösteten Reiskörnern. Die Texte zu einzelnen Sorten können durchaus mit denen auf der Weinkarte mithalten (ich kenne diese hier noch, sie ist sehr farbreich, jedes Adjektiv überlegt gewählt) und das Getränk entspricht dann tatsächlich den Zuschreibungen. Demnach würde ich ungern sagen, daß ich jetzt trocken bin - welch furchtbares Wort - sondern vielmehr from cocaine to Empire.

Kurz nach meinem Entzug hatte ich einen Glückskeks mit der Botschaft: "Du hast den richtigen Weg eingeschlagen". Heut hab ich einen mit der Ermunterung: "Jetzt ist die richtige Zeit für neue Freunde". Beide Sätze stehen so auch im Blauen Buch [sic!] der Anonymen Alkoholiker.
War es eigentlich nur eine urbane Legende, daß irgendwelche New-Media-Leute als Geschäftsidee das Verfassen von neuen Texten für Glückskekse vorgebracht haben? Bloß nicht.

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