21. Februar 2009

daß plötzlich alle Geräusche um einen herum überproportional laut sind:
Seit zwei Tagen scheint jemand unter mir im Haus routinemäßig durch ein Mikrophon zu sprechen. Ob er seinem Hunde Kommandos vorspricht, die der memorieren soll, oder einen schwerhörigen Menschen betreut, weiß ich nicht. Es ist ein roher Bariton. Manchmal hustet er. Vielleicht hat er auch nur seinen mächtigen Brustkorb genau an die Wand gelehnt, die meine beiden Zimmer voneinander trennt und Schall noch aus den unterst gelegenen Stockwerken zu mir zu übertragen scheint wie ein Gitarrenverstärker ferne Radiosender. Das Haus schwingt mit seinem Diaphragma. Vielleicht hat die Frau eins unter mir jetzt einen Freund mit lauter Stimme. Sie ist es auch, die Beat It von Michael Jackson abspielt, jetzt, wo gerade die Schneeschaufel verstummt ist.
Die Schneeschaufel: Ich habe extra das Fenster geschlossen, obschon die Heizungsluft leicht abgestanden war, doch der gesamte Innenhof zwischen den insgesamt vielleicht sieben Mehrfamilienhäusern, wie meine Mutter Mietshäuser immer nannte, als wäre die einzig mögliche Einheit, in der Menschen wohnen können, eine Familie, sie und ich mußten hart für ihren Irrglauben bezahlen; er wirkte als Resonanzkörper für jene Person, die auf einem Samstag während der Mittagsruhe Schnee und Eis von Gestein kratzte, beharrlich und gewaltig, ein Augurenstall der verkarstete Boden, auf dem wir täglich gehn, fast täglich ist etwas aufgetaut und nachts wieder eingefroren, krich das ma ab.

Geräusche, die irgendwo im Hintergrund sein könnten, es aber störenderweise nicht sind. Gestern nacht sah ich mich gezwungen, überaus abstrakte Pianoduette grenzwertig laut zu stellen, um den Mikrofonmann zu übertönen. Es tat, bis auf wenige Stellen, wo der Boden meines Zimmers schnarrend vibrierte, der Musik sehr gut. Dem Hören auch. Wie fragil die Gleichgewichte sind, die ein Dasein daseibar machen: Nicht die großen geophysikalischen, die das sogenannte Wunder Leben ermöglichen (You have been summoned to be. Summoned out of matter. Saul Bellow), sondern die kleinen Grundkonsense zwischen den Dingen. Daß einzelne aus den unendlichen Geräuschgemeinschaften des Alltags nicht plötzlich überlaut an unser Ohr treten und uns daran hindern, frei gewählte Geräusche, oder Stille, im Zentrum unserer Aufmerksamkeit zu bewahren. Fragil wie die undurchdringbar komplexen sozialen Produktionsbedingungen, die es zwei Menschen ermöglichen, sich an je einem Flügel gegenüberzusitzen und so zu improvisieren, wie sie es tun.

Der Mann im Hof hat sich erholt und schabt für eine kurze Weile weiter, den gesamten Schub seines Oberkörpers in die vibrierende Schaufelspitze leitend, die Frau unter mir hat jetzt eine R'n'B-Schnulze angeschaltet, meistens kommen danach Vögelgeräusche, hoffentlich nicht auch von dem Mann mit Mikrophon.

Bisher ist alles still, innen und außen.

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